Der Bierstreik


1910 wurde in Bayern durch neue Steuergesetze eine allgemeine Einkommenssteuer geschaffen. Höchstwahrscheinlich war dies der Anlaß für die Brauereien, den Bierpreis von bisher 20 Pfennig pro Liter auf 22 Pfennig zu erhöhen. Dies löste eine Protestwelle unter den bayrischen Bierkonsumenten aus, so auch in den Dörfern des Bachlertales. In den April-Tagen des Jahres 1910 formierte sich im Bachlertal ein Protestzug mit Bierstreikern. Gestartet wurde in Haimelkofen und das Ziel war ein Gasthaus in Penk. Demzufolge war es offensichtlich so, dass die ortsansässigen Wirte die Bierpreiserhöhung durchsetzten wollten, deshalb formierte sich ein Zug mit großen Leiterwagen und Pferden nach Penk. Die Bierstreiker wurden auch aus  anderen Ortschaften unterstützt, wie der folgende Bericht, erschienen am 24. April 1910 im Laberboten, anschaulich schildert:

Hofkirchen, 24. April 1910. Veranlaßt durch das Bestreben einiger uns naheliegenden Brauereien und Wirte, den 22 Pfennig Bierpreis allen Ernstes durchdrücken zu wollen, hatte sich vergangene Woche hier ein Bierstreikkomitee gebildet. Es wurde beschlossen, heute Sonntag eine große 20 Pfennig Bier-Huldigungs-Feier bei seinem Mitglied Gastwirt Oberecker in Penk bei Bayerbach abzuhalten. Bei herrlich schönem Aprilwetter bewegte sich nachmittags 1 Uhr von Haimelkofen aus eine große Anzahl Bierstreiker aus den Ortschaften Weichs, Osterham, Hofkirchen, Poschenhof, Berghaus, Haimelkofen, Leitersdorf, Asbach, Bruckhof und Greilsberg auf sechs schön gezierten, von der hiesigen Bauernschaft bereit gestellten großen Leiterwägen, das Bierstreikkomitee auf eigenem Jagdwagen, ferner viele Radfahrer und Reiter zu Pferd nach Penk, wo sie von der dortigen Bauernschaft aufs herzlichste empfangen und von Herrn Gastwirt Oberecker mit 20 Pfennig Bier und kalten und warmen Speisen aufs beste bewirtet wurden. Zahlreiche Bierstreiker aus den umliegenden Ortschaften und aus weiter Ferne kamen noch herbei und man sagte sich, daß Penk noch selten eine so große Menschenmenge gesehen haben wird. Der Bierstreikführer gab bekannt, daß am Sonntag, den 8. Mai eine große öffentliche Bierkriegsversammlung abgehalten wird, wo Referent C. Laur aus Salching über das Thema sprechen wird: " Warum und wie ist eine Bierpreiserhöhung zu bekämpfen" ? Der Ort, wo dieselbe abgehalten wird, wird später noch eigens bekannt gegeben. 

Ferner forderte derselbe die Bierstreiker auf, kein 22 Pfennig Bier mehr zu trinken, die Wirtschaften mit 22 Pfennig Bier Ausschank zu boykottieren, diejenigen Wirte, welche den 20 Pfennig Preis beibehalten, kräftig in jeder Weise zu unterstützen, auch dann noch, wenn die anderen Wirte wieder auf den 20 Pfennig Preis zurückgehen sollten, damit uns diese Wirte bei einer späteren Bierpreiserhöhung wieder gesichert seien, was einstimmig beschlossen wurde. Eine Bierpreiserhöhung sei ungerecht und bei dem heutigen Gerstenpreisstand auch nicht notwendig. Besonders ungerecht sei das Vorgehen einiger Bräuer, ihren Wirten kein Bier mehr zu geben, da sie Gewalt vor Recht gehen lassen, indem sie kein Recht dazu haben, ihren Wirten das Bier zu verweigern, wie das kgl. Amtsgericht Landau a.d. Isar bereits in diesem Sinne entschieden hat. - Das Bierstreikkomitee beschloß eigens noch, besonders danach zu trachten, daß einige Eigentümer-Wirte für den 20 Pfennig Bierpreisausschank zu erhalten seien und daß die Bauern der ganzen Umgegend diesen Wirten ihren ganzen Hausbedarf an Bier auf einige Jahre zusichern müssen, so daß diesen Wirten ein großer Hektoliterverbrauch zugesichert sei, wo sich dann schon eine Brauerei für diese Massenhektoliterlieferung finden wird. Noch ehe man es erwartet war die Stunde gekommen, wo die Bierstreiker sich auf den Heimweg machen mußten und alles verlief in schönster Ordnung und Ruhe. Für nächsten Sonntag beschlossen die Bierstreiker, eine große Maifeier bei Kammermeier-Wirt in Weichs bei 20 Pfennig Bier abzuhalten.

Aus "Laberbote" vom 24. April 1910

040908

Paul Winderl