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Das große Festessen

 

Es war eine Zeit, die mit unserem heutigen Wohlstand nichts zu tun hatte. Fleisch war eine Seltenheit. Nach dem zweiten Weltkrieg mussten die Menschen eine Not nach der anderen ertragen. Man hatte zwar Geld, aber es war nichts wert. Wochentags die schwere Arbeit auf dem Land im Bachlertal, da war man froh, wenn man sich zur geselligen Runde im Gasthaus treffen konnte. Allen voran die Jugendlichen, die Dorfjugend traf sich nachmittags beim Wirt in Haimelkofen. Da waren schon welche dabei, die sehr unternehmungslustig und fröhlich waren.

Um genau zu sein, es war Silvester 1947. Wie bereits erwähnt, Fleisch war Mangelware, und trotzdem ist es einigen jungen Burschen gelungen ein Silvestermenu zusammenzustellen. Diese Jungs hatten es geschafft, Hasen in ihren Besitz zu bekommen. Doch bescheiden und gemeinschaftsdienlich wie sie waren, hatten sie festgestellt, dass diese Hasen für viele Personen eine schöne Mahlzeit abgeben würden. Die munteren Herren hatten beschlossen, ein großes Festessen zu veranstalten. Die Wirtin zu Haimelkofen sollte die Hasen zubereiten und sodann in den geladenen Gästen servieren. Geladen waren gleichaltrige Damen und Herren der Dorfgemeinschaft.

Mit Eifer wurde an der Menuzusammenstellung gearbeitet. Josef M. brachte Tage vorher bereits Weizen (Herkunft unbekannt) zum Bäcker. Im Tauschverfahren sollte der "Beck" am Silvestertag Semmeln für das Hasenragout herstellen. Am Silvestertag war für Sepp W. die Arbeit um 14.00 Uhr im Staatsforst als Holzhauer beendet. Wie er zu den Hasen kam ist sein Geheimnis, auf alle Fälle hat er dann die Hasen schon vorbereitet. Die Wirtin in Haimelkofen wurde gebeten, das Hasenragout zuzubereiten. 

Die geladenen Damen und Herren trafen der Reihe nach in der Gaststube ein. Der Tisch war weiß gedeckt. Zu beiden Seiten des Tisches saßen die Schönheiten des Bachlertals und die kräftigen Burschen. 
Aus der Küche drang ein vielversprechender Duft in die Gaststube. Sepp W. und Josef M. begrüßten die ausgesuchten Gäste und wünschten einen guten Appetit. Auch aus der Mitte der Geladen wurde das Wort ergriffen. Man bedankte sich bei den edlen Spendern und lies sie hochleben - dreimal hoch....Auch in Angedenken dessen, dass Sepp W. und Josef M. in der Regel ausgemachte Spitzbuben sind hat man es ihnen hoch angerechnet, sich für die Allgemeinheit einzusetzen. 

Aus der Küche wurde das Hasenragout mit Semmeln serviert. Die Gäste hielten sich mit ihrem Appetit nicht  zurück. Ja es wird sogar berichtet, dass einigen edlen Damen die Soße links und rechts an den Mundwinkel herunter lief. Über das Teller gebeugt verspeisten die Anwesenden mit Appetit das Ragout. Auch wurde ein Nachschlag sofort gerne angenommen. Wohlwollend nickte man sich gegenseitig zu, im Gedenken an die großzügigen Spender und an die Kochkunst der Wirtin. Cäcillie L. und Ella M. entleerten mit Semmelstücken die Teller, so dass diese blitzeblank waren. Die weiße Tischdecke war auch bekleckert, weil beim allzu heftigen Nachfassen auch etwas daneben ging. Zufällig anwesende Bürger, wie z.B. Sepp S. (Bruckhof) hatten ebenfalls einen Teller erhalten. Der Kommentar dazu: "He geh weg, Wirtin ganz guat wars".

Die Mehrheit der jungen Gruppe hatte das Mahl beendet, aber andere waren noch bei den letzten Bissen. Sepp W. griff in seine Hosentasche und holte etwas aus der Tasche, legte den Kopf zur Seite und streifte einen Katzenschweif über seinen Unterarm, dann über die Tischkante und fragte: "hods gschmeckt?" Die Ereignisse überschlugen sich jetzt. Die meisten Gäste realisierten sofort die Zusammenhänge. Wütende Beschimpfungen, lautes Geschrei begann in der Gaststube. Doch all dies wurde übertroffen, durch die Personen, die fluchtartige den Raum verließen. Eine und einer nach dem anderen sucht die Ausgangstüre. Der Drang der Festgäste war derart heftig, dass bald nur noch die beiden Josef am Festtisch saßen.

Warum die Gäste es so eilig hatten, war bald erkennbar. Sie versammelten sich alle, wieder in Reih und Glied auf der "Gred" das Gasthauses. Diesmal waren alle tiefgebeugt über das Geländer. Heftiges Rückwärtsessen war angesagt. Männlein und Weiblein nebeneinander. Vereinzelt wurden wieder Beschimpfungen ausgesprochen. Wick H. Haimelkofen: "De bring i um"!  - Cäcillie L. Hofkirchen: "de Sau-bern"!

Wie aus alten Fotos zu entnehmen ist, hat sich das Gasthaus in Haimelkofen an der Fassade kaum verändert. Das Geländer vor dem Haus hat das große Festessen nicht mitgemacht. Damals war das Geländer aus Holz. Wenn keine Bilddokumente vorhanden sind, wird bei bachlertal.de oft die Situation nachgestellt. Auf eine Animation oder Bildmanipulation verzichten wir diesmal aus Gründen des guten Geschmacks.

Ob es nun Hase oder Katze war, jede Situation hat ihren eigenen Reiz. Nehmen wir an es waren Katzen, dann hat die Kochkunst der Wirtin es ermöglicht, das die Gäste ein feines Ragout vorgesetzt bekamen - und niemand hätte etwas bemerkt, wenn da nicht der Katzenschweif gewesen wäre. In diesem Fall hat die erfahrene Wirtin aber auch keinen Unterschied zwischen Hase und Katze festgestellt.

Wenn es aber Hasen gewesen waren. - Das Festessen hat ja hervorragend gemundet. Geschmacklich bestand nicht der geringste Anlass, dass es sich nicht um Hasen handelte. Dann aber war die "Rückwärts-Ess-Aktion" der Gäste völlig unsinnig. Die Anwesenden haben auf die Schauspieleinlage mit dem Katzenschweif überzogen und zu ihrem Nachteil reagiert.

Seltsam war diese Silvesternacht auch weiterhin. Die beiden Josefs gingen ihren "Freunden" in dieser Nacht aus dem Weg. Vermutlich wollten sie einer handgreiflichen Diskussion aus dem Weg gehen. Seltsam war aber auch, das den beiden der Schnaps gestohlen wurde. Als es noch hell war, hatten sie 6 Flaschen Schnaps (schwarz gebrannt) im Gebüsch unter dem Kastanienbaum versteckt, der heute noch steht. Als die Beiden zur vorgerückten Stunde sich mit dem Festmahlgästen wieder versöhnen wollten, fanden sie den Schnaps nicht mehr an Ort und Stelle. Der Schnaps ist nie mehr aufgetaucht. Sepp W. kam in dieser Nacht nicht ins Bett. Er ging gleich in die erste Messe am Neujahrsmorgen. Vor sieben Uhr traf er, wie der Zufall es will, auf den Treppenstufen mit dem Geistlichen zusammen. "gumoang Herr Pfarrer, a guats neis Johr." Der Pfarrer: "Gumoang Sepp, dira a guats neis Johr, miau, miau. Host heit scho ausgschloffa? miau, miau.

Der Sepp W. fällt aus allen Wolken, und denkt nach: woher woas der Pfarrer des scho wieder, der werd a saftige Predit hoidn." Der Sepp W. antwortet dem Pfarrer aber: "I war goanet im Bett, itza gehe in Kircha und dann ins Bett."

Der Pfarrer ging zur Sakristei und der Sepp W. in Erwartung einer saftigen Predigt auf die Empore. Der Pfarrer hat über diese Angelegenheit kein Wort verloren. Auch in den folgenden Wochen hatten die beiden Josef noch immer Angst, dass es ein Nachspiel gibt.

Ein halbes Jahrhundert danach wird die Situation von damals immer noch von den Beteiligten mit großer Hingabe und Begeisterung diskutiert. Es gibt nur zwei, - die zwei Seppln, die wirklich wissen was Silvester 1947 abgelaufen ist. Der eine Josef M. ist "ausgewandert" in die Oberpfalz (aber nicht wegen dieser Geschichte) der andere, Sepp W. verblieb im Bachlertal. Für ihn war es nicht der einzige Spaß, den er sich mit seinen Mitmenschen leistete. Aber auch die Bachler haben ihn ein ums andere Mal "erwischt".